Europawahlen – Angst vor dem Volk

Gastbeitrag von Kurt Rohmert
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Wir können ihnen einfach nicht entkommen. Links und rechts der Straße. Riesige Plakatwände kündigen an: die Menschen in Europa dürfen wählen, diesmal das Parlament der EU. Und wieder dieselben inhaltsleeren Sprüche wie früher. Gemäß einer Umfrage sehen drei Viertel aller Befragten die EU zwar als Friedensstifter,  zwei Drittel allerdings kritisieren, dass sich die Gemeinschaft zu wenig um die Bürger kümmere. So steht speziell in Deutschland fest: 46% haben eine schlechte Meinung über ihre Volksvertreter. (1) Doch interessiert das die zur Wahl stehenden Parteien? Ihre Wahlwerbung bestätigt etwas anderes. Mit der Realität hat sie wenig zu tun. Eigentlich hätte man in den letzten 5 Jahren mit guter, also verständlicher Politik, bessere Werbung machen können.

Zunächst die wichtigsten Fakten (2) zur EU-Wahl (irreführend gern Europa-Wahl genannt):

Die alle 5 Jahre stattfindende Wahl zum EU Parlament ist auf 4 Tage terminiert. Das hängt mit den Wahlgewohnheiten in den einzelnen Ländern zusammen. Bei uns ist Sonntag, der 26. Mai dafür vorgesehen. Es heißt, die Abgeordneten vertreten die Interessen der etwa 500 Millionen Menschen und diese bestimmen über das einzige demokratisch gewählte Organ. Aber die Voraussetzungen sind in den einzelnen Staaten nicht einheitlich. So wählt man in Österreich ab 16,  manche Länder haben eine Sperrklausel (diese ist in Deutschland abgeschafft). Absolut unsinnig ist der Sitz des Parlaments, mal in Brüssel, mal in Strassburg oder in Luxemburg. Aufgabe ist (gemeinsam mit dem Rat) die Gesetzgebung – die Entwürfe kommen aus der Kommission. In dieser ist jedes EU-Land vertreten. Die einzelnen Abgeordneten des Parlaments wählen auch den Präsidenten, der dieses dann leitet. Dem Parlament werden auch die Kontrollrechte über die Kommission und das Haushaltsrecht zugestanden. Alle nationalen Parteien haben sich in acht Fraktionen (zur Zeit) organisiert, z.B. Findet man in der EVP  die CDU wieder und in der SPE die SPD. Soweit die Theorie.

Doch betrachten wir besser das Parlament, um das es geht. Es ist eigentlich kein Parlament, so wie wir es vermuten. Es hat kein Budget-Recht und kann auch keine Steuern erheben.  Die überlegene Macht liegt beim Rat und der Kommission. Die Zusammensetzung des Parlaments entspricht nicht dem demokratischen Grundprinzip. So werden die einzelnen Abgeordneten nicht nach den Stimmen pro Land ausgewählt – die Verhältnismäßigkeit stimmt somit nicht. Man nennt diese Form der Zusammensetzung „degressiv proportional“. Auch bei den Finanzen gelten kaum Regeln, geschweige denn Sparsamkeit. Dieses Parlament ist wohl das teuerste der Welt. Damit sind nicht die Gehälter der Kommissare gemeint, nein, allein der „Wanderzirkus“ kostet jährlich 5 Milliarden Euro. Apropos Kommissare: man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine dritte Wahl an Politikern am Werk ist, die – von zu Hause weggelobt –  im eigenen Land  keinen Schaden mehr anrichten kann.

Wenn man die Politik der EU betrachtet mit ihren zum Teil überflüssigen und oft absurden Gesetzen, dann werden sie auch dadurch nicht demokratischer, wenn nach intransparenter Verhandlung hinter verschlossenen Türen das Parlament lediglich noch seinen Segen dazu gibt. In dieser Form ist diese EU absolut undemokratisch. Die Notwendigkeit eines Parlaments wie dieses kann mit Recht in Frage gestellt werden. Eine grundlegende Reform erscheint mir dringender denn je: der uneingeschränkte Verkehr im Binnenmarkt (wie früher) für Waren und Bürger wäre die bessere Lösung als ein Zentralstaat ohne Bürger, der bürokratisch dahinvegetiert und in sich völlig zerstritten ist.

Europa hat viele Krisen überlebt – Finanzkrise, Euro-Krise, Flüchtlinge, Zinspolitik, Eurobonds. All diese Konflikte sind überstanden, aber nicht nachhaltig gelöst. Siehe die ARD-Doku „Das EU-Drama“. Diese Doku liefert den Beweis, dass das Parlament an den Entscheidungen nicht beteiligt war und daher eher unwichtig ist.  Nach jeder Krise folgt ein Kompromiss, die Angelegenheit ist abgehakt, die Schwierigkeiten jedoch nicht überwunden. Eine seltsame Logik. (10) Die EU hat bei der Umsetzung ihrer Projekte in den letzten 10 Jahren einen alarmierenden Vertrauensverlust erlitten. So wird die Wahl wegen der Alarmstimmung spannend. Mit Bangen schauen die EU-freundlichen Parteien  auf die Wahl. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie deutlich die Abstrafung sein wird. In dieser Situation als Folge keimender Euro-Skepsis hat man die Schuldigen schon gefunden. Neben der Befürchtung von Wahlmanipulationen sind es die Rechtspopulisten. Statt mit den Sorgen der Bürger umzugehen, fällt es leichter, den Menschen Angst zu machen. Merkel spricht von einer  Entwicklung, „die ins Elend führen würde“ .

Mit dem Aufstieg der Populisten formiert sich erstmals eine „sehr gefährliche“ (Merkel-Zitat) politische Kraft (3). Stimmt es wirklich, dass „die Rechtspopulisten die EU schreddern wollen (laut wdr)? Vergleichen wir. Die plakativen Botschaften der pro-europäischen Parteien besagen, Europa muss enger, stärker, vereinter, mächtiger werden. Es gelte, den Nationalismus zu bekämpfen. „Das kann nur Europa lösen“. Ziel ist eine stärkere Zentralisierung. Die Skeptiker zweifeln, dass die Vereinigten Staaten von Europa wirklich die Lösung aller Probleme sind.

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ferdinand Kirchhof  stellt fest, 60 bis 70 % der Normen der deutschen Rechtsordnung stammen von der EU, ohne dass sie dazu eine Legitimation durch unser Grundgesetz (siehe Art. 23) hätte. Auch Prof. Weiss (Uni Speyer) und andere Völkerrechtler gehen davon aus, dass die EU-Praxis unserem Grundgesetz widerspricht. Wenn die Umsetzung dieser EU-Verordnungen nicht erfolgt, strengt die EU ein Vertragsverletzungsverfahren an. Damit wird unser Parlament und damit auch die Staatsgewalt wieder praktisch außer Kraft gesetzt. Erstaunlicherweise ist in der Präambel des EG-Vertrags (4) von einem Europa der Bürger zu lesen, nicht einem Europa der Staaten. Hier ist nicht von einem Verschmelzen der Mitgliedsstaaten zu einem Bundesstaat die Rede! Auch die ursprünglich geplante Verfassung musste einem Vertrag weichen. (5) Ich meine, es ist schon sehr frech, zu behaupten, dieser wäre im Namen der Bürger erarbeitet. Demokratie ade. Wir finden ein Europa vor, welches zwischen Angst und Hoffnung (s.o.) pendelt und alle fragen sich: „Wird die Euro-Skepsis sich bei der kommenden Wahl entladen?“

Und was sagen die EU-Politiker? „Wenn es ernst wird, muss man lügen“, gesteht das Schlitzohr Juncker.  (6) EU-Kommissar Oettinger nannte Europa einen „Sanierungsfall“. Martin Schulz, ehemaliger Parlamentschef, räumt ein, dass „Kritik an der EU absolut gerechtfertigt ist“. Noch krasser formuliert es  Juncker in seiner Wutrede. „Das europäische Parlament ist lächerlich“.

Fazit: Wir brauchen eine EU, aber noch mehr braucht sie uns. Es macht absolut keinen Sinn, EU-Kritiker zu dämonisieren, wenn sie Kritik üben. Wir müssen die EU den Bürokraten nehmen und den Bürgern zurückgeben. Dazu sind Veränderungen sicher nötig. Doch ich befürchte, wir erleben in Zukunft das, was wir aus dem Bundestag schon kennen.

 

 

 

 

 

 

 

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