Erika Steinbach – wer ist das?

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Wenn auch in Deutschland nicht jeder gleich weiß, wer Erika Steinbach ist und noch weniger ihre Funktionen im deutschen Bundestag nennen kann, so kennt sie in Polen jeder. Als Präsidentin des BdV (Bund der Vertriebenen) oblag ihr von 1998 sechzehn Jahre lang in Sachen deutsch-polnischer Beziehung eine schwierige und zum Teil undankbare Aufgabe. Der Titel eines in Polen erschienenen Buches  lautet übersetzt: „Die Schöne oder das Biest?“, wobei die Antwort für 99% aller Polen feststeht. Einer Erhebung nach befindet sie sich hinter Putin auf Platz 2 der polnischen Ablehnungs- und Angstliste. Im Lande sang man Lieder – „Hajl Steinbach.” Man schrieb über sie in Büchern, sogar ein Comic wurde über sie herausgegeben. In der Presse und dem erwähnten Buch lesen wir: „In Polen wissen sogar die Kinder, dass Erika Steinbach die Verkörperung des Bösen ist. Nicht alle aber kennen Angela Merkel oder Helmut Kohl.”

Das deutsche Feindbild in Polen

Natürlich glaubt Polen, für seine Antipathie Gründe zu haben. Vorrangig beruhen sie allerdings auf Halb- und Unwissen über Steinbachs politische Einstellungen und Standpunkte. Das konservative Polen wird sich auch weiterhin auf seine Vergangenheit und Opferrolle berufen und sich mit den Begriffen wie Vertreibung, Versöhnung, Annäherung in Kombination mit Frau Steinbach schwertun. Ihre Kritik an Wladyslaw Bartoszewski, Historiker, image
Publizist und ehemaliger polnischer Außenminister, der eine moralische Instanz in seiner Heimat war, wurde ihr nicht verziehen. Eine Zusammenarbeit zwischen ihm und Steinbach wäre wünschenswert gewesen, endete aber in Bartoszewskis Verweigerung, ihr die Hand zu geben.

Steinbach, die Oder-Neiße-Grenze und die Ost-Erweiterung

Man warf ihr vor, die Oder-Neiße-Grenze nicht anerkannt zu haben, was nicht stimmt. Steinbach hatte zusammen mit 23 Abgeordneten folgende Erklärung abgegeben: „Dem Vertrag über die Bestätigung der bestehenden Grenze können wir nicht zustimmen, da wir uns (…) für eine in die Zukunft gerichtete Lösung aller offenen deutsch-polnischen Fragen eingesetzt haben.“ Dabei ging es ihnen um die im Vertrag offen gebliebenen Eigentums- und Vermögensfragen. „Wie recht sie damit hatten, zeigte sich spätestens nach der Gründung der ‚Preußische Treuhand GmbH‘ im Jahr 2000, einer Gesellschaft, die sich zum Ziel setzte, die Rückerstattung ehemals deutscher Liegenschaften in Ostpreußen einzuklagen. Die Aufregung, die darüber in Polen entstand, war vor allem der deutschen Rechtslage geschuldet. Frau Steinbach, die stets davor gewarnt hatte, dass solche Vermögensansprüche den deutsch-polnischen Rechtsfrieden stören könnten, distanzierte sich übrigens gleichfalls von den Aktivitäten der ‚Preußischen Treuhand‘, machte aber die Bundesregierung dafür verantwortlich, dass es nun so weit gekommen sei.“
Im Nachhinein verschwiegen Polens Politiker und Medien – es war ihnen offenbar peinlich -, dass in Deutschland nur die BdV-Präsidentin die Position vertrat, die den polnischen Erwartungen entsprach: Frau Steinbach forderte, Vertriebene mit Vermögensansprüchen an deutsche Gerichte zu verweisen, wobei sie klarstellte, dass es dort allenfalls um eine symbolische Anerkennung der Verluste gehen könne.
Frau Steinbachs Vorbehalte gegen die Ost-Erweiterung der EU sind gleichfalls in einer Protokollerklärung im Bundestag festgehalten. Am 3. Juli 2003 stellte sie darin fest, dass in vier der zehn osteuropäischen Beitrittsländer Gesetze in Kraft seien, die mit den Menschenrechten und dem Völkerrecht nicht in Einklang stünden. Vor allem der Europäischen Kommission kreidete sie an, die Streichung dieser fortwirkenden Gesetze nicht zur Beitrittsbedingung gemacht zu haben. Anders als vielfach behauptet, hat Frau Steinbach im Bundestag dennoch nicht gegen, sondern für die Aufnahme Polens in die EU gestimmt.

Das Feindbild „Steinbach“ war in Polen mit keinem Tatsachen-Argument wegzudiskutieren. Diese Erfahrung machte ich persönlich in der TPN (polnisch-deutsche Gesellschaft) in Posen, der ich während meines Polenaufenthaltes ab 2006 für mehrere Jahre angehörte.

Ihre heutige aktive Rolle: Kritik an Merkels Politik

Die Kausa Steinbach hat glücklicherweise auch eine Gegenwart. Diese mutige Frau, die ihrem Gewissen und ihrer Überzeugung mehr Aufmerksamkeit widmet als der Leichtigkeit des Seins durch Abnicken aller „Richtlinien der Politik“ unter dem Dirigat ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkel, lässt sich bis heute den Mund nicht verbieten.
Wie sie Merkels Alleingänge, die Flüchtlingspolitik und die damit verbundenen Probleme einstuft, äußert sie in ihren Reden offen und authentisch. Sie unterschrieb mit etwa 50 Abgeordneten ihrer Partei, dem Berliner Kreis, einen Brief, in dem Merkel aufgefordert wird, ihren Weg zu korrigieren, ihre politische Linksausrichtung zu verlassend und das Veto von Teilen ihrer Partei und der Bevölkerung zur Kenntnis zu nehmen.
„Dem Papier und seinen Autoren ist eine gewisse Verzweiflung anzumerken. Man habe doch immer wieder gewarnt, klagen sie, dass Merkels Mitte-Kurs für die Partei verheerend sei. Nun sehen sie sich durch die Stärke der AfD und die jüngsten Wahlergebnisse auf traurige Weise bestätigt.“

Ein bekannter und beliebter Unterzeichner dieses Brandbriefes ist neben Steinbach auch Wolfgang imageBosbach, der sicher zum konservativen Flügel seiner Partei zählt und mit seiner Überzeugung und Authentizität Scharen von nicht nur CDU-Wählern hinter sich und seiner Meinung versammelt.
Vor wenigen Tagen hat er zum großen Bedauern vieler Menschen seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Wer will es ihm verdenken? Kämpfen erfordert Kraft, Mut und leider heute sogar Zivilcourage.
Was Steinbach an Gegenwind, Verleumdung Ablehnung und Anfeindung erfuhr, hat ihren Kampfgeist nicht gebrochen. Deutschland braucht solche Persönlichkeiten, Menschen mit Ecken und Kanten … aber auch mit Überzeugungen, für die sie bereit sind, in die Arena zu treten.

 

 

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