Der Grüne Rebell in Tübingen

Oberbürgermeister Boris Palmer traut sich was

Da hat sich der Herr Palmer aber doch wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt mit seiner letzten Aussage, wir retten Menschen, die in einem halben Jahr sowieso sterben. Eigentlich stach er als fast einziger aus der Truppe der Grünen immer mal wieder mit einer eigenen Meinung und Weltanschauung hervor. Und das oft ganz zum Ärger seiner Parteigenossen im fernen Berlin. Er, der Praktiker, der mit Redenschwingen allein keine Stadt lenken kann und sich wie andere hautnah mit der Aufnahme von Flüchtlingen konfrontiert sah, war immer mal wieder Mittelpunkt heftiger Debatten und Ziel böser persönlicher Angriffe. Man beschimpfte ihn als Rassisten und legte ihm den AfD-Beitritt nahe. Weggefährten distanzierten sich. Man legte ihm den Parteiaustritt nahe und den Rücktritt sowieso:

Speziell mit seinem ersten Buch „Wir können nicht allen helfen /  Ein Grüner über Integration und die Grenzen der Belastbarkeit“ erklärte er die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik mit Merkels Grenzöffnung aus juristischer und persönlicher Sicht für falsch. Und wieder verärgerte er die Trittins, Hofreiters und Roths, die ideologischen Traumtänzer des Gutmenschentums. Palmer bediene mit diesem banalen Titel im Zug der Flüchtlingsdebatte nur das fremdenfeindliche Ressentiment aller volksdeutschen Wutbürger, kritisierten seine Widersacher und bewiesen damit an ihresgleichen, dass das linksgrünbunte Meinungsdiktat in dieser Republik Bestand hat. Wie kann es angehen, dass ein Grüner vernunftbesetzte Aussagen tätigt, die nur dem rechten Gedankengut entnommen sein können?

So wie Merkel Sarrazins Buch – ohne es gelesen zu haben – als wenig hilfreich bezeichnete und der ehemalige Bürgermeister Buschkowsky von Berlin/Neukölln mit seinem Buch „Neukölln ist überall“ seine gesamte SPD in Aufruhr versetzte, wird auch Palmers Buch von vielen seiner Weggefährten als Nestbeschmutzung abgetan. Wie schrecklich müssen da Sätze des Lobes für sie klingen, wie sie beispielsweise in einer Rezension formuliert wurden?  „Dieses Buch ist eine Wohltat an Differenzierung in der von Rassismus, Hetze und Denkverboten vergifteten Diskussion um die Flüchtlingskrise“, heißt es da bei Denis Scheck oder „Ein Plädoyer für eine Ethik der Verantwortung allen Beteiligten gegenüber, nicht nur den Flüchtlingen. Das beinhaltet harte Entscheidungen. Palmer weicht ihnen nicht aus und wirbt für Realpolitik. Ein böses Wort für alle, die es lieber mit der Moral halten, selbst wenn das in die Katastrophe führt.“

Und zum Thema „Moral“ gab es jetzt ein zweites Buch mit dem Titel
„Erst die Fakten, dann die Moral – warum Politik mit der Wirklichkeit beginnen muss“. Politik beginne mit dem Betrachten von Wirklichkeit, zitiert Palmer Kurt Schumacher, den ersten Vorsitzenden der Nachkriegs-SPD. Diese Wahrheit sei vielen Politikern, vorrangig seinen Parteifreunden abhanden gekommen. Sie machten den Eindruck, als gelte das für sie nicht. Lieber würden sie sich mit pseudo-moralischen Argumenten über den Debattengegner erheben.

Palmer produziert, nutzt die sozialen Medien für sich und sieht sich in seiner realen Politik für die Belange aller in Tübingen Lebenden durch seine Wiederwahl zum Tübinger Oberbürgermeister bestätigt. Seine in regelmäßigen Abständen aufblitzenden linksgrünbunten Antithesen rütteln Menschen auf, irritieren Politiker und machen auch wütend. So passiert in der augenblicklichen Corona-Debatte. Da sind die Pferde mit Palmer mal wieder durchgegangen. Auch mir stockte der Atem, als er verlauten ließ: „Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.“

Diese Aussage allein gelesen schockiert. Wer sich aber den Kleinkünstlern, Theatern, Orchestern, Kabarettisten, Tänzern und Selbständigen in ihrer Existenznot anschließt, entwickelt Verständnis für die eigentliche Aussage Palmers: Die über 65-Jährigen müssten weiter so gut geschützt werden wie während des Shutdowns. Dann könnten die anderen gleichzeitig mehr Risiken eingehen. So könne man die Zerstörung von Millionen Existenzen verhindern.

Diese Zeit des Endes von Meinungsfreiheit und Demokratie braucht Rebellen, die sich trauen, mit Vernunft und Weitsicht dem politischen Blödsinn der Schwafeler und Schwurbeler die Stirn zu bieten und den Mut zu besitzen, sich angreifbar zu machen. Palmers Partei war und ist mir aus vielerlei Gründen ein Dorn im Auge. Umso achtenswerter erscheint mir da der Rebell Boris Palmer, der durch den Erfolg seiner jahrelangen „Oberbürgermeisterschaft“ die gesamte Grün-Moral ad absurdum führt.

Ich kann nur rufen: „Rebellen dieses Landes vereinigt euch“, damit der politische Irrsinn ein Ende hat, die Realitätsverweigerer in die Wüste geschickt werden und die „linksgedrehte Republik“ in die Phase der Gesundung eintritt. Bürger Deutschlands, bedient euch eures Verstandes und hört auf, an der moralisch überheblichen gewünschten Meinung anzudocken. Speziell für die Grünen stimme ich deshalb dem Satz zu:

Wenn die Grünen dauerhaft einen Platz in der Mitte des politischen Spektrums einnehmen wollen, dann sollten sie Palmers Anregungen nicht als die Spinnereien eines Oberbürgermeisters abtun.

 

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