Wann kippt die weltweite Schuldenpyramide?

Gastbeitrag von Carsten Redler

Die Schulden in der Welt nehmen ständig zu. In der Corona-Krise sind die Schulden nochmals sprunghaft gestiegen. Die globalen Schulden belaufen sich auf Basis des zweiten Quartals 2021 auf sage und schreibe 296,0 Billionen USD. Dies entspricht 353,4 % der weltweiten jährlichen Wirtschaftsleistung. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 270,9 Billionen USD. Das entspricht einer Steigerung von 25,1 Billionen USD oder 9,3 %. (Quelle: IFF Institute of International Finance)

 Der Fall Evergrande in China

Ende September 2021 fielen die Aktienkurse an den großen Weltbörsen. Auslöser war der chinesische Immobilienentwickler Evergrande Group, der in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Das Unternehmen gilt als das am höchsten verschuldete Bauunternehmen der Welt. Die Verbindlichkeiten sollen sich auf über 300 Milliarden Dollar belaufen.

Sollte Evergrande die Schulden nicht mehr bedienen können, so könnte eine Pleite des Unternehmens große wirtschaftliche Verwerfungen verursachen und zwar nicht nur in China selbst, sondern auch weltweit.

Evergrande ist in der chinesischen Wirtschaft ein großer Player. Ein Ausfall würde auch auf viele andere Unternehmen im chinesischen Markt wie z. B. Zulieferer, Banken, andere Immobilienentwickler etc. massive Auswirkungen haben.

Ebenso könnten im Falle eines Ausverkaufs von Immobilienprojekten von Evergrande die Immobilienpreise abrutschen. Dies würde zu einer Verunsicherung der chinesischen Anleger führen, die einen Großteil ihres Vermögens in Immobilien investiert haben.

In der Folge wäre ein Nachfragerückgang im Immobiliensektor denkbar, was wiederum auf andere Immobilienvermarkter ausstrahlen würde und finanzielle Engpässe, Pleiten und Abschreibungen in Bankbilanzen nach sich ziehen könnte.

Warum wäre eine Pleite von Evergrande für die Weltwirtschaft von Bedeutung?

Die Immobilienbranche hat in China eine sehr große Bedeutung. Der Anteil Chinas an der Wirtschaftsleistung beläuft sich auf rund 25%.

Das Bruttoinlandsprodukt Chinas betrug 2020 14,47 Billionen USD. Circa 25 % davon wären in absoluten Zahlen 3,6 Billionen USD.

Das macht einen möglichen Zahlungsausfall von Evergrande so brisant, da es in China eine Reihe weiterer sehr großer Immobilienfirmen gibt, die sich ebenfalls mit ihrem Geschäftsmodell auf dünnem Eis bewegen.

Sollte es also in Folge einer Evergrande-Pleite zu einer Schwäche im Immobiliensektor kommen, falls die Regierung in Peking nicht eingreift, hätte dies somit auch Auswirkungen auf den Konsum und die Rohstoffnachfrage im Zusammenhang mit der Erstellung von Immobilien in China und damit auch auf die Weltwirtschaft, deren Lokomotive China durch die Importe von Konsumgütern und Rohstoffen in den letzten Jahren war.

Weniger Export nach China bedeutet, dass es auch Unternehmen insbesondere großer Exportnationen wie z. B. Deutschland treffen würde. Kein oder geringeres Wirtschaftswachstum wären dann, auch global gesehen, sehr wahrscheinlich.

Wirtschaftlicher Abschwung bedeutet, dass die Schuldentragfähigkeit von Haushalten, Unternehmen und Staaten geringer wird. Zahlungsausfälle, Firmenpleiten, geringere Investitionen und geringere Steuereinnahmen wären die Folge.

Um dies zu verhindern, müssten die Zentralbanken die Zinsen weiter in den Keller schicken und die Staaten vermehrt schuldenfinanzierte Programme auflegen, was wiederum die Inflation tendenziell weiter anheizen würde.

Bei höherer Inflation müssten die Zentralbanken normalerweise mit höheren Zinsen versuchen gegensteuern, um hohe Inflationsraten zu vermeiden. Das werden die Zentralbanken aber vermeiden, da ansonsten viele Unternehmen und Staaten aufgrund der hohen Schuldenberge in den Bankrott gehen würden, weil die Zinslasten zu groß wären.

Des wiederum könnte bewirken, dass sich die Wirtschaftsleistung verringert. Außerdem ist es das Ziel der Staaten, ihre hohen Schuldenberge zu monetarisieren d. h. mittels Inflation zu entwerten, da eine Rückzahlung des Schuldenberges ohnehin nicht möglich ist. Zu diesem Zweck hat die Politik die Zentralbanken unter ihre Kontrolle gebracht.

Die hohen Schulden und das stetig weiter steigende Schuldenniveau in der Welt sind ein Tanz auf dem Vulkan und führen in einen Teufelskreis, da die permanente Rettung des globalen Finanzsystems immer größere Schulden erfordert.

Was der Auslöser für einen Zusammenbruch der Schuldenpyramide sein wird, ist noch unbekannt. Der finanzielle Kollaps wird in jedem Fall eine globale wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Katastrophe. Das sich diese finanziellen Spannungen irgendwann zwangsläufig entladen müssen, steht außer Frage. Nur der Zeitpunkt ist ungewiss.

 Die 300 Milliarden USD Schulden von Evergrande sind nur ein Tropfen in einem Meer von Schulden. Auch das könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Welcher Tropfen das am Ende sein wird, kann heute keiner sagen. Aber es gibt eine Menge weiterer möglicher Tropfen. Noch spielt die Musik und es darf getanzt werden. Aber erfahrungsgemäß geht jede Party einmal zu Ende.

 

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