Ein schlechter Tag für Thüringen

Einer Diktatur droht das Vergessen

Gastbeitrag von Kurt Rohmert

Wahl in Thüringen. Aufregung pur. Warum? Ein schwarzer Tag für Thüringen. Dammbruch das beliebteste Wort. Das Wahldesaster stellt alles auf den Kopf, besonders die Demokratie. Oder was unsere Altparteien dafür halten.

Dabei ist alles kalter Kaffee. Ist genau so bei der EU Wahl 2019 passiert! Ein Unterschied: Unsere Medien interessierten sich 2019 nicht dafür. Nicht mitbekommen? Im Juli sollte eine neue EU Präsidentin gewählt werden. Frau von der Leyen wurde gewählt! Soweit so gut. Nur: Sie wurde mit den Stimmen der Rechtspopulisten gewählt.  Ist wenig bekannt, kann aber im Handelsblatt nachgelesen werden „Ihren Wahlsieg hat Ursula von der Leyen vor allem den Rechtspopulisten zu verdanken. Denn die Stimmen aus den proeuropäischen Fraktionen hatten nicht für eine Mehrheit gereicht.“ Da stellt sich die Frage „War das nicht auch ein Dammbruch? Warum forderte niemand ihren Rücktritt?“

Schauen wir uns dieses Musterbeispiel für gelebte Demokratie in Erfurt genauer an. Zunächst die Realität. Der Landtag wurde am 27.Oktober 2019 gewählt. Gewinner waren in erster Linie Links- und Rechtsaußen. Verlierer gab es auch, die CDU, die SPD und die Grünen. Die FDP schaffte es knapp in den Landtag. Schon bald zeigte sich, dass eine Regierungsbildung spannend werden dürfte, denn die bisherige Koalition (RotRotGrün) hatte ihre Mehrheit verloren. Ein weiterer vierter Partner stand nicht zur Verfügung. Also diskutierte man eine Minderheitsregierung, denn mit einer AfD wollte keiner was zu tun bekommen . Mit dem Makel der Käuflichkeit waren CDU und FDP sogar zur Tolerierung bereit, nach längerem Überlegen verabschiedete sich aber die CDU von den Plänen einer „Projektregierung“. Letztendlich war nur noch der Ministerpräsident zu wählen.

Jetzt zum eigentlichen Debakel. In der ersten Landtagssitzung müssen die 90 Abgeordneten den Ministerpräsidenten wählen. Als Bewerber stand natürlich Bodo Ramelow zur Verfügung. Sein Konkurrent war Christoph Kindervater als Kandidat der AfD (aber parteilos). Ramelow verfehlte in den ersten beiden Gängen die absolute Mehrheit, im dritten Wahlgang stellte die FDP wie angekündigt Thomas Kemmerich als weiteren Kandidaten der Mitte auf. Was dann passierte war absehbar. Aus taktischer Sicht gab die AfD dem FDP Kandidaten ihre Stimmen, Kemmerich war gewählt und nahm völlig überrascht die Wahl an. SO ist Demokratie. Das ist keine Krise, kein Dammbruch, sondern Demokratie bzw. Rechtsstaat. Wer diese Wahl in Zweifel zieht, braucht dringend Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat.

Diese Wahl bzw. das Ergebnis gibt weder formal noch inhaltlich Grund zur Beanstandung. Außerdem wurde ein geachteter Mann aus der liberalen Mitte gewählt. Besser geht es kaum. Herr Kemmerich von der FDP ist zwar gemäß Verfassung gewählt, aber leider von den Falschen. Besser wäre wohl gewesen: der Falsche von den Richtigen. Ich zitiere mal §53: „Die Abgeordneten sind nicht an Aufträge oder Weisungen gebunden.“  §55:  „Abgeordnete dürfen zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung … zur Verantwortung gezogen werden.“  §70: „Der Ministerpräsident wird vom Landtag gewählt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.“

Hier sollten die ersten, die demokratisch denken und an freie Wahlen glauben, verzweifeln. Wieso die Aufregung? Das liegt in erster Linie an der AfD. Ich mag sie auch nicht, aber sie ist nun mal gewählt. Ausgrenzen steht nicht in der Verfassung. Also folgt die Stigmatisierung des Bösen. Bodo Ramelow, also der Gute, spricht sogar von Adolf Hitler. Bei aller Aufregung vergisst man schon mal, wer die Guten sind.

Hier ein bisschen Geschichtsunterricht (*siehe auch „Stacheldraht im Gehirn“). Es war viel von einem Dammbruch die Rede. Bei ehrlicher Betrachtung geschah der Dammbruch aber bereits vor fünf Jahren. In Thüringen wurde nach 89 die Linke als Landesregierung etabliert, mit Hilfe von SPD und den Grünen. Wie war es möglich, dass demokratische Parteien wieder mit der alten sozialistischen Partei zusammenarbeiten? 2015 sorgte das Wahlergebnis für die Linke in Thüringen nicht für Aufregung. Dabei ist sie nicht irgendeine Partei, sondern sie betrieb 40 Jahre lang eine Diktatur, die 17 Millionen Menschen in der sog. DDR ein freies Leben verwehrte. Sie selbst erweckt permanent den Eindruck, sie hätte mit dem Regime nicht zu tun. Doch der eigene Schatzmeister Karl Holluba erklärte 2009, sie ist „rechtsidentisch mit … der SED“.

In den 30 Jahren seit der Wende hat diese Partei nie die DDR als Unrechtsstaat verurteilt. Geschichtsvergessend und irreführend ist dagegen von ihnen von „positiven Erfahrungen“ die Rede. Hubertus Knabe, ehem. Direktor der Gedenkstätte des Stasi Gefängnisses Berlin-Hohenschönhausen, verweist auf die 200.000 Menschen in den Stasi Gefängnissen, die unter dem System der „Zersetzung“ zu leiden hatten. Freiheitsrechte endeten vielfach an der innerdeutschen Grenze, im Kugelhagel. Es ist nicht akzeptabel, dass die Linke nur von „eingeschränkter Freiheit“ redet.

Diese Partei erhebt in Thüringen den Anspruch, regieren zu wollen. Unterstützung durch SPD, Grüne, aber auch von CDU und FDP ist vorhanden. Code-Wort „Projektregierung“. Die Linke sichert ihren Funktionären aus der SED-Zeit selbstverständlich die bruchlose Fortsetzung der Karriere zu. Unter den 29 Abgeordneten in Thüringen sitzen erstaunlich viele mit SED-Parteibuch. So die ehemalige Ministerin Birgit Keller (seit 1977 in der SED). Der Parlamentarische Geschäftsführer Andre Blechschmidt ist nicht nur SED-Mitglied, sonder auch Stasi Mitarbeiter. Knut Korschewsky, ein Sprecher der Linksfraktion, gehört der SED seit 1979 an. Die Abgeordneten Ute Lukasch und Ralf Kalich sind seit 40 Jahren Parteigenossen. Kalich selbst war Berufsoffizier bei den Grenztruppen.

Die Abgeordnete Gudrun Lukin kann immerhin 46 Jahre Parteimitgliedschaft vorweisen. In Erfurt arbeitete sie damals mit der Fraktionskollegin Karola Stange zusammen. Heike Werner war ebenfalls schon damals (vor der Wende) Jung-Funktionärin. Diese Biografien spielen für unsere Medien keine Rolle. Man schaut lieber auf den Westler Bodo Ramelow, der aber ein sonderbares Verhältnis zum Recht vorweist (Strafverfahren wegen Behinderung einer Demo). Allen gemein ist, dass sie sich weigern, die DDR einen Unrechtsstaat zu nennen.

Es ist schon verwunderlich, wenn Altparteien diesen Leuten heute pauschal das Etikett „Demokraten“ verleihen und selbst der Bundespräsident davor warnt, die Linke als radikal abzustempeln. Wie sagte er noch: „Mit bloßen Etiketten kommen wir nicht weiter“. Deshalb muss an dieser Stelle mit einem weiteren Märchen aufgeräumt werden.

Um zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben, muss man noch weiter zurück in der Geschichte gehen. Warum? In der Linken, wie auch schon damals in der SED, ist es ein Tabu, von der „braunen“ Vergangenheit zu reden. In der eigenen Geschichte der heutigen Partei gilt der Spruch „Die Linke lernt aus der Geschichte“. Leider ist das gelogen, denn es wird ein Punkt gern völlig ausgeblendet. Im Nachkriegsdeutschland war die SED die erste Partei, die sich NSDAP-Mitgliedern öffnete. Die SED kannte damals keine moralischen Bedenken, ehemalige Nazis zu integrieren. Das Zentral-Sekretariat unter Wilhelm Pieck fasste 1946 den Entschluss, ehemalige Nazis aufzunehmen. Nach Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses stieg der Anteil der Nazis in der SED auf 8,6% der Mitglieder, in Thüringen erreichte er einen Spitzenwert, nämlich 13,6%. Aber nicht nur das. Bis 1989 waren acht Minister und zwei stellvertretende Ministerpräsidenten einst überzeugte Nationalsozialisten! Es hält sich aber in der Linken das Märchen vom Antifaschismus.

Die Wahrheit wird bei Linken komplett ausgeblendet, es würde ihr Selbstbild zerstören. Kurt Nier war Vize-Außenminister, Herbert Weisz Vize des Ministerrats. Ex-Nazis bauten nach 1949 die DDR mit auf. Arno von Lenski erhielt den Kampforden für sein Engagement beim Aufbau der Volksarmee. Der Begründer der LPGs Ernst Grossmann (Angehöriger der Totenkopf-Standarte) saß im Zentralkomitee. Er erhielt die Auszeichnung „Held der Arbeit“. Weiterhin machten Euthanasie-Ärzte Karriere in der DDR, Wissenschaftler an DDR-Universitäten (siehe Olaf Kappelt Braunbuch der DDR). Die Ex-Nazis hatten in der DDR sogar eine eigene Partei: die NDPD. 

Ich habe ein Original-Dokument von 1946 (im Vorfeld der Landtagswahl in Thüringen vom 20. Oktober durch den Kreisverband Sonnebereg) gefunden, welches diese Aussage von mir belegt. Da heißt es: „Die SED ruft Dich, wenn Du aus Überzeugung und Idealismus einst zur NSDAP gegangen bist. Was Hitler Dir versprochen hat und niemals hielt, das wird Dir die SED geben. Wenn Du Hitler gefolgt bist, so bist Du unser Mann.“ Kein Fake, diese Seite hat die Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Es waren auffallend viele Westdeutsche, die nach dem Mauerfall sich einer Aufarbeitung der Diktatur entgegenstellten. Schäuble war für eine Amnestie, Justizminister Kinkel für Straffreiheit. Es bleibt ein wenig ruhmreicher Teil Deutscher Geschichte. Folge ist, dass die Verbrechen nicht bekannt sind und Opfer somit verhöhnt werden.

Die Linke, da sollte sich keiner was vormachen, will ein anderes Deutschland. Diese Partei stützt sich auf linksextreme Strömungen innerhalb der Partei, z.B. die Antikapitalistische Linke, das Marxistische Forum, marx21, die Rote Hilfe, die Interventionistische Linke, die eindeutig gegen unsere Grundordnung gerichtet sind und die deutlichen Einfluss auf Entscheidungen in der Partei die Linke nehmen. Selbst der Verfassungsschutz betrachtet diese Partei skeptisch, weil es laut Programm eine Transformation in ein „sozialistisches Gemeinwesen“ anstrebt. Direkt nach der Verschmelzung mit der WASG erklärte Lothar Bisky „Wir stellen die Systemfrage“. Deutlicher geht es nicht. Unser Politsystem nebst Leitmedien ist sich nicht zu schade dafür, die ehemalige SED wieder zur Macht zu verhelfen. Kann es sein, dass viele Deutsche das noch nicht verstanden haben?

Zurück zu Thüringen: Diese Landtagswahl muss wichtig sein. Sonst hätte sich nicht die Kanzlerin aus Afrika gemeldet. Unter Missachtung demokratischer Regeln (Gewaltenteilung, Verfassung) verfügte sie „Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden.“ Das kann sie eigentlich gar nicht (siehe Verfassung), aber sie hat ja ihre Handlanger. Die haben es alle eingesehen. Ist ja logisch, aber demokratisch? Dieser Vorgang ist einmalig in Deutschland. Kanzlerin entscheidet LT-Wahlen. Berlin entscheidet in den Ländern. Vorsitzende bringen ihre Mitglieder auf Linie. Wer stört, der fliegt. Und für Medien sind diese Vorgänge wenig beunruhigend.

Was bleibt? Die Demokratie steckt in einer Sachgasse. Das Drama ist noch nicht zu Ende. Entweder man wählt bis es passt oder wenn es nicht hilft, dann wählt sich unsere Bananenrepublik, Entschuldigung, Regierung eben ein neues Volk.

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